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Das Warschauer Königsschloss. Der zweieiige Zwilling unter Warschaus Palästen.

N ahezu alle Touristen, die nach Warschau kommen, gehen an diesem symbolträchtigen Gebäude vorbei. Es steht, mit dem Rücken zur Altstadt gewandt, auf dem Schlossplatz, welcher von der Sigismundsäule überragt wird. Viele Besucher sind sich jedoch oft nicht bewusst, dass das Königsschloss eine nahezu 100-prozentige Rekonstruktion ist, und was für eine großartige Rekonstruktion es ist! Zudem wissen auch nicht, dass das Schloss „zwei Gesichter“, die unterschiedlicher kaum sein könnten. 

Besichtigungswert

Es gibt in Polen kaum ein anderes Gebäude, welches so viel Historie in solcher Vielfalt erlebt und berühmte Persönlichkeiten gesehen hat sowie Zeuge wichtiger Ereignisse war. Für die polnischen Gäste in Warschau ist ein Besuch im Schlossmuseum ein Muss. Ausländische Gäste erhoffen sich von einem Besuch nicht sonderlich viel und fragen sich, ob sich eine Innenbesichtigung überhaupt lohnt. Kurz gesagt: Es lohnt sich! Aber: Ich würde mich nicht zu sehr auf die Beschreibungen der einzelnen Bilder, Statuen und Gegenstände konzentrieren. Vielmehr empfehle ich allen, die Innenarchitektur auf sich wirken zu lassen. Man sollte nämlich wissen, dass das Königsschloss nahezu vollständig rekonstruiert wurde. Zudem muss jeder wissen, dass das Schloss nicht nur als Königsresidenz diente, sondern auch über 200 Jahre lang als politisches Zentrum funktionierte.

Sehenswürdigkeit und Schlossmuseum

Es würde das Schreibprogramm sprengen, wollten wir alle möglichen Inhalte über die Gebäude und ihre zusätzlichen Funktionen in einen Beitrag einfügen. Dennoch wollen wir genau arbeiten und den Lesern mehr als nur leere Informationen bieten.

Deshalb erstellen wir in unserem Stadtführer grundsätzlich für jede Sehenswürdigkeit oder Museum eine touristische Übersicht sowie eine detaillierte Beschreibung. In diesem Fall dient die Sehenswürdigkeit zugleich als Museum. Deswegen findet sich das Gebäude in der Rubrik „Sehenswürdigkeiten“ und dort in der Kategorie „Palast oder Schloss“ und schließlich in der Rubrik „Museum“ wieder.

Das Schloss als Sehenswürdigkeit

Mit diesem Beitrag nehme ich die Leser auf eine Reise durch die Geschichte des Gebäudes als Sehenswürdigkeit. Falls jemand stattdessen nur eine touristische Übersicht benötigt, der klickt bitte auf den folgenden Link:

Das Schloss als Museum

Das Schlossmuseum wird ebenfalls in eine touristische Übersicht und in eine detaillierte Beschreibung gezweiteilt. Mit den folgenden Links gelangt ihr zu der entsprechenden Seite. Beide Seiten sind intern ebenfalls miteinander verknüpft.

Bezeichnung und Funktion

Auf polnisch nennt man das Schloss „Zamek Krolewski“. Terminologisch ist das jedoch nicht richtig. Als Zamek bezeichnet man in der polnischen Sprache vielmehr Burgen, die gewiße Verteidungselemente aufzeigen. Das könnten Mauern, Wehr- oder Aussichtstürme sein. In Falle des Warschauer Königsschlosses fehlt davon jegliche Spur. Die deutsche Übersetzung Schloss ist insofern die bessere Wahl.

Dann gibt es noch das Attribut krolewski, also königlich. Das ist leider etwas weit hergeholt. Der König durfte hier residieren und arbeiten, natürlich auch schlafen. Aber das Schloss stand nicht im Eigentum des Monarchen. Das ist einer der Gründe, warum das Schloss nicht imposant wirkt und daher auch die relativ schwache Position des Königs widerspiegelt. Starb der König, endete auch der „Mietvertrag“.

Die Krönungen der polnischen Monarchen fanden grundsätzlich in Krakau statt; eine in der Warschauer Johanneskathedrale und nur eine einzige im Schloss. Dazu mehr im weiteren Verlauf des Beitrages.

Geschichte

Bis 1339 | Die Anfänge

Die faszinierende Geschichte des Königsschlosses entfaltet sich in der Übergangsphase zum 14. Jahrhundert. Hier, an diesem geschichtsträchtigen Ort, erbaute Herzog Boleslaw II. von Masowien eine imposante Burganlage. Dies geschah in Reaktion auf die Zerstörung der Vorgängerbauten in Jazdow, einem Ort, der 3,5 Kilometer südlich der heutigen Altstadt. Diese tragischen Zerstörungen ereigneten sich im Jahre 1262 und erneut im Jahr 1282, als preußisch-litauische Armeen in der Gegend ihr Unheil trieben.
Das Hauptgebäude war die curia maior (das große Haus). Es stand im südöstlichen Eck des heutigen Gebäudes und war mit einem Wall und Graben von der Stadt isoliert. Zwischen dem Wall und der Johanneskirche (seit 1818 eine Kathedrale) floß ein kleiner Bach.

Es verging nur wenig Zeit, bis die Stadt Warschau selbst in unmittelbarer Nähe zur Burg des Herzogs gegründet wurde. Es waren nicht nur die atemberaubenden Ausblicke, die bei der Wahl des Ortes eine zentrale Rolle spielten, sondern vor allem die natürlichen Verteidigungselemente, die hier gegeben waren. Die Stadt und die Burg lagen und liegen immer noch ca. 20 Meter über dem Weichseltal.

Die erste schriftliche Erwähnung des herzöglichen Hofes datiert aus dem Jahr 1339, als in Warschau ein historischer Prozess zwischen dem Königreich Polen und dem mächtigen Kreuzritterorden abgehalten wurde. Dies markiert den Anfang einer spannenden Reise in die Geschichte der Burg und des späteren Königsschlosses.

1339 – 1525 | Herzogtum Masowien

Der Herzog von Masowien Janusz der Ältere (reg. 1374-1429) beschloss 1379 den Hof und die Altstadt mit einer gemeinsamen Mauer zu umgeben. Zudem wurde der hölzerne Herrschersitz in eine steinerne Residenz umgebaut und erweitert. Seitdem hat das Gebäude drei Etagen. Hier wohnte, regierte und beriet der Fürst mit dem Rat, es wurde Recht gesprochen und seit dem Ende des 15. Jahrhunderts versammelte sich hier der Sejm von Masowien. Die Kanzlei sowie die Schatzkammer befanden sich im Erdgeschoss. Warschau wurde mehr und mehr zum politischen, kulturellen und kirchlichen Zentrum des Herzogtums und entwickelte sich allmählich zur Hauptstadt der Region.

1426 war sogar der König von Polen Wladyslaw II. Jagiello in Warschau zu Besuch.

1525 – 1598 | Adelsrepublik Polen-Litauen

Nachdem 1525 der letzte Herzog von Masowien kinderlos gestorben ist (oder auch vergiftet wurde), wurde Masowien in die polnische Krone eingegliedert. Der König von Polen war von nun an Herr über diese Ländereien. Auf der einen Seite wurde Warschau zur regionalen Stadt des Königreiches degradiert. Somit verlor das herzögliche Verwaltungszentrum an Bedeutung. Doch auf der anderen Seite war Masowien mit Warschau als Hauptstadt Teil eines mächtigen Staates mit einer florierenden Wirtschaft und schöpfte Nutzen von der guten Lage an der Weichsel, die damals der Hauptmotor der polnisch-litauischen Wirtschaft war. 1529 tagte der Sejm zum ersten Mal in Warschau. Das Parlament tagte bis 1569 stets in einer anderen Stadt. 1569 wurde die Lubliner Union beschlossen, die das Königreich Polen und das Großfürstentum in eine Realunion umformte, die bis 1795 bestand. Bis dato war die Adelsrepublik eine Personalunion.
In Lublin wurde zudem festgelegt, dass alle Parlamentssitzungen in Warschau abgehalten werden und dass die Könige von Polen in einer Freien Wahl bestimmt werden. Warschau wurde als politisches Zentrum festgesetzt, weil es auf halbem Wege zwischen den damals zwei wichtigsten Städten Krakau und Vilnius lag. Es begann ein schleichender und versteckter Prozess, der Warschau zur Hauptstadt der ganzen Adelsrepublik Polen-Litauen werden ließ.

Aus der Herzogenburg wurde allmählich ein Königsschloss.

In den Jahren 1569 – 1573 folgte notwendigerweise ein groß angelegter Um- und Ausbau. Der Architekt war Giovanni Battista Quadro, der auch das Posener Rathaus entwarf. Die gotische Curia Maior wurde für die Sejmversammlungen angepasst. Im Erdgeschoss entstand ein großer Saal für die Beratungen der Abgeordneten und ein Raum für die Sejmkanzlei. In der ersten Etage war der Senatssaal. Im nordöstlichen Eck wurde im stumpfen Winkel eine Behausung für Sigismund August angelegt. Leider ist über die Ausstattung der Räume nicht viel bekannt. Sigismund II. August verbrachte die zweite Hälfte seiner langen Regierungszeit (1548 – 1573) in Warschau.

1598 – 1795 | Königliche Residenz

1598 zog Sigismund III. Wasa mit dem gesamten Hof von Krakau nach Warschau und baute bis 1619 das Schloss völlig um. Seitdem hat der Innenhof des Schlosses die fünfseitige Form und auf der Westseite wurde der vierzig Meter hohe Turm angebaut. Auf der Ostseite hingegen wurde eine steinerne Mauer aufgestellt und aus dem Königsschloss wurde nach damaligem Trend ein „palazzo in fortezza“. Bis 1650 wurde der Grodzka-Turm (Südfassade) errichtet.

Ein sehr auffälliges Merkmal aus der damaligen Zeit ist auch die lachsrote Fassade. 

Aufstieg und Fall 1611 – 1656

Das Königsschloss war in den Jahren von 1611 bis 1656 Zeuge des rasanten Aufstiegs und ebenfalls rasanten Falls der Königlichen Republik Polen – Litauen. Zunächst entwickelte sich das Königsschloss zum Symbol der osteuropäischen Regionalmacht, was seinen Widerhall in der russischen (1611) und preußischen (1641) Huldigung fand. Doch es folgte  ein dramatischer Fall der monarchischen Republik. 1648 begann der Bürgerkrieg im Südosten des Landes, als sich die Kosaken gegen ihren König auflehnten. Es folgte ein Krieg gegen Russland. Schließlich nutzte Schweden die schlechte Konjunktur seines Nachbarn und ging ebenfalls in Angriffsposition über. 1655 und 1656 nahmen schwedische Soldaten die Stadt ein und pl+nderten sie. 1657 taten die Ungarn dasselbe. Auch das Osmanische Imperium mischte in diesen Kriegen gegen Polen mit.

Warschau wurde in dieser Zeit zum Trümmerhaufen. Das Schloss litt unermesslich. Die Schweden richteten im Schloss einen Pferdestall ein. Nahezu alle Kostbarkeiten und Malereien wurden nach Schweden Verfrachtet. Was sie nicht mitnehmen konnten, wurde in die Weichsel geworfen oder zerstört. Es verging viel Zeit, bis das Königsschloss wieder im alten Glanze erstrahlte.

Nachfolgend ein gelungener Film über das Schloss aus der Zeit, nachdem Sigismund III. Wasa hier eingezogen ist (Englisch). Warten Sie die interessanten Visualisierungen ab (Filmlänge 4:45 Min.)

Die Sachsenzeit | 1697 – 1764

1697 wird August II. der Starke zum König von Polen gewählt. Nach einer Erholungsphase in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, folgte in der Sachsenzeit der weitere Zerfall der polnisch-litauischen Union. Die Sachsen kümmerten sich um das Schloss, waren jedoch mehr mit ihrer Privatresidenz, dem Sachsenpalais, beschäftigt. August II. der Starke verlegte den Sejm und den Senat aus dem südöstlichen Flügel in den westlichen Flügen der Residenz. Im ehemaligen Sitz der Kammern ließ er seine privaten Gemächer einrichten. August III., sein Sohn und Nachfolger, war zwar selten in Warschau, ließ jedoch vor allem die Ostfassade im Rokokostil umgestalten. In dieser Form wurde sie nach dem Krieg rekonstruiert.

Der letzte König von Polen Poniatowski

Nach der Sachsenperiode folgte eine sehr lange und dramatische Epoche unter Stanislaw August Poniatowski, dem letzten König von Polen, der von 1764 bis 1795 regierte. Mit seiner Abdankung endete auch die polnische Monarchie, das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen verschwanden von der politischen Landkarte Europas. Die polnisch-litauische Union währte 411 Jahre.

Die polnischen Historiker haben eine geteilte Meinung über die Regierungszeit des letzten Königs. Einig ist man in Hinblick auf sein Mäzenentum und seine bauliche Tätigkeit in Warschau. Schließlich haben wir ihm zahlreiche Sehenswürdigkeiten in Warschau zu verdanken. Allen voran den Königlichen Lazienki-Park oder auch die Inneneinrichtung des Königsschlosses. Sofern es um die äußere Umgestaltung des Schlosses ging, so leitete Poniatowski keines der von den königlichen Architekten vorgeschlagenen Projekte in die Tat um. Das einzige Gebäude, was er bauen ließ, steht am südöstlichen Flügel. Es wurde für eine Bibliothek genutzt. Eine neue Fassade erhielt der Südflügel, welcher in der Sachsenzeit vernachlässigt wurde. Wie schon erwähnt, richtete der König sein Hauptaugenmerk auf die Innenarchitektur. Vom südöstlichen über den östlichen bis hin zum nordöstlichen Flügel ließ der König im ersten Stockwerk eine Reihe von prächtig dekorierten Räumen und Sälen einrichten, die heute von Gästen aus der ganzen Welt bewundert werden können.

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russische Huldigung im Warschauer Königsschloss 1611

1795 – 1806 | Warschau wird preußisch

Von 1795 bis 1806 war Warschau eine russische Provinzstadt und so wurde sie auch behandelt. Die Preußen marschierten nicht nur mit Soldaten nach Warschau, sondern auch mit einer großen Herrschar preußischer Beamten. Man führte Hypothekennummern ein, registrierte die Juden und vergab ihnen Nachnamen. Und das Königsschloss? Es verlor an Glanz und Splendor. Stanislaw August Poniatowski emmigrierte nach der Abdankung nach St. Petersburg und sein ganzes Hab und Gut wurde gestohlen, zerstört und europaweit gehandelt und verkauft.

1806 – 1815 | Napoleon in Warschau

Ende 1806 zog Napoleon siegreich in Warschau ein und vertrieb die Preußen. Es kam Hoffnung auf, dass die drei Teilungen wieder rückgängig gemacht werden könnten. Die Gründung des Warschauer Fürstentums sollte den langen Prozess der Umwandlung einleiten und Warschau wieder zu einer pulsierenden Hauptstadt machen. Auf dem Königsweg wurde zu Ehren Bonapartes ein Triumphbogen aufgestellt. Natürlich sollten die Feierlichkeiten im ehemaligen Königsschloss abgehalten werden. Doch die Feier ließ viel zu wünschen übrig: es war kalt, nass und äußerst unangenehm. Schließlich stand das Gebäude im Prinzip seit über zehn Jahren leer und wurde kaum genutzt.

Napoleon machte das Schloss zu seinem vorübergehenden Sitz. Im Marmorsaal, beobachtet von Bildnissen der Könige von Polen, organisierte er den weiteren Verlauf der brutalen und blutigen Eroberung des europäischen Kontinents. Die Polen ahnten damals noch nicht, wie naiv sie eigentlich waren diesem Megalomanen und Verwirrten General zu vertrauen. Napoleon nutzte es aus und schickte Tausende Polen ins Verderben in den kalten Osten.

Ein ähnliches Los erwartete das Königsschloss. 1808 sandte Napoleon den Direktor der Pariser Museen, Herrn Danon, nach Warschau mit der Aufgabe die übrig gebliebenen Kunstwerke zu konfiskieren und nach Paris zu schicken. Von polnischer Seite kam keine Gegenwehr. Schließlich muss man sich dankbar zeigen für die Aufopferung der Grande Nation Europa und Polen von der Barbarei zu befreien.

1815 – 1918 | Nach dem Wiener Kongreß

Der Wiener Kongreß von 1815 beendete nicht nur die napoleonische Ära, sondern bestätigte auch die Gebietszuwächse und Grenzverschiebungen, die durch die drei polnischen Teilungen entstanden. Es wurde das Königreich Polen in Personalunion mit dem Russischen Imperium ins Leben gerufen. Im Königsschloss fand demnach die eigentlich letzte Krönung der polnischen Könige statt. 1825 war es Nikolaus I.

Der Schlossplatz wurde von den zahlreichen Gebäuden und Mauerteilen befreit. Auf der Ostseite entstanden die Arkaden und auch der Sejm tagte wieder im Schloss. Erfreulich war auch, dass ein großer Teil der unter Napoleon konfiskierten Malereien zurückerworben wurden.

Nach 1830 folgte die Zeit der nationalen Aufstände von 1830, 1863 und 1905. Das Schloss wurde umgebaut in ein „Amtshaus“. Alles, was auch nur annähernd an die polnische Monarchie erinnerte, wurde zerstört. Vom königlichen Thron blieben nur noch die Füße und Treppen übrig. Wandmalereien, die das Goldene Zeitalter Polen-Litauens zeigten, wurde natürlich übermalt.

Und dennoch: als die Russen 1915 verließen, um den vorrückenden Preußen Platz zu machen, nahmen sie immerhin noch über 800 Kisten und Truhen voller Wertgegenstände mit, welche nach dem Friedenvertrag von Riga von 1922 wieder ins Land geholt wurden.

Erst 1918 wehte nach über 100 Jahren erneut die weiß-rote Flagge der 2 . Republik Polen.

1918 – 1939

1922 wurde das Königsschloss zur representativen Residenz der Republik umfunktioniert. Hier erhielt Jozef Pilsudski, der Vater der polnischen Unabhängigkeit, den Marschallsstab, 1923 wurde die Leiche des ersten und zugleich ermordeten Präsidenten Gabriel Narutowicz ausgestellt und schließlich 1926 wurde es Sitz und Residenz der polnischen Präsidenten (nach dem Bürgerkrieg von 1926).

1939 – 1945

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Das zerstörte Königsschloss 1945

Schon während der Bombardierungen 1939 wurde das Schloss erheblich beschädigt. Die erste deutsche Bombe traf den Uhrenturm am 17. September, am Tag, als die sowjetische Armee Polen im Osten ohne Kriegserklärung überfiel. m 11:15 Uhr blieb die Uhr stehen.
Gemäß der Pläne der Besatzungsmacht sollte das Schloss in die Luft gesprengt werden. Die Vorbereitungen begannen schon nach der Unterzeichnung der Kapitulation. Warschau sollte nach dem Pabst-Plan in eine deutsche Verwaltungsstadt (westlich der Weichsel) umgebaut werden. Auf dem östlichen Ufer sollte die polnische Arbeiterbevölkerung hausen. Es begann ein Rennen mit der Zeit. Die polnische Schlossverwaltung begann so viele Gegenstände wie nur möglich rauszuholen.

Die völlige Zerstörung erfolgte 1944, nachdem die Warschauer Aufständischen die Altstadt räumen mussten. Es blieb nichts außer ein Stück Wand übrig.

Wichtige Ereignisse

Im Schloss fanden zahlreiche historische Ereignisse statt, die für Polen und seine Bewohner von großer Bedeutung sind:

1611 | Die russische Huldigung

Nachdem die Adelsrepublik Polen-Litauen die russische Hauptstadt 1610 eingenommen hatte und den Tsaren von Russland Wasili IV. ins Gefängnis steckte, zwang man ihn zur Huldigung im Senatorensaal vor dem König von Polen.

1641 | Die preußische Huldigung

1641 huldigte Friedrich Wilhelm Hohenzollern auf dem benachbarten Platz des Schlossplatzes dem König von Polen Wladyslaw IV.

1791 | Verfassungsverkündung

Am 3. Mai 1791 wurde im Sejmsaal die erste moderne geschrieben Verfassung Europas verkündet.

1773 | Beschluss der 2. Polnischen Teilung

Die polnisch-litauische Monarchie wurde durch die drei Teilungen letztendlich aufgelöst. Der Beschluss der zweiten polnischen Teilung fand im Warschauer Königsschloss statt. Nach den machtpolitischen Ereignissen der vorherigen Jahrzehnte war dieses Ereignis eine ostentative Erniedrigung des polnischen Staates.

Wiederaufbau | 1971 – 1986

Die Kommunisten hatten kein großes Interesse am Wiederaufbau des Königsschlosses. Zwar gab es schon im Frühjahr 1949 einen Quasi-Beschluss über das Bauprojekt und es wurde sogar eine Kommission einberufen, die einen Bauplan aufstellen sollte, doch kam es immer zu Rotationen und politischen Machtkämpfen, die den Wiederaufbau in Vergessenheit geraten ließ. Als 1956 Gomulka an die Macht kam, wurden die Projektleiter nicht mehr vollends unterstützt. Im Fünfjahresplan von 1961 war sogar keine Rede mehr vom Königsschloss. Das war für die Betroffenen ein harter Schlag. Stattdessen tauchten sogar absurde Ideen auf, wie zum Beispiel der Bau eines Hochhauses auf dem Grundstück des Schlosses.
Die Altstadt wurde währenddessen schon 1956 nahezu fertiggestellt.
Die politische Elite entschied sich erst nach den Demonstrationen von 1970 für eine Wiederbelebung der Diskussionen über den Bau des Schlosses. Gomulka wurde im Dezember 1970 abgesetzt. Sein Nachfolger Gierek leitete sofort den Wiederaufbau des Schlosses ein. Es sollte ein Propagandawerk sein und ihn beim Volk Punkte einrbingen. Die mühevolle Rekonstruktion begann schließlich 1973. 1984 wurden die ersten Gäste ins Museum des Königsschlosses reingelassen. Die Rekonstruktion wurde erst im Mai 2019 mit der Eröffnung der königlichen Gärten auf der Ostseite abgeschlossen.

Beachte bitte die verschiedenen architektonischen Stile, die man im Innenhof bewundern kann.

Ein Innenhof, viele Epochen

Wie oben dargelegt, war das Königsschloss bis Mitte des 16. Jahrhunderts vielmehr ein Fürstenhof und im 14. Jahrhundert ein kleiner gotischer Bau für die erst kürzlich zugezogenen Herren der masowschen Länder. Der Gebäudekorpus bestand bis zu seiner Zerstörung im Herbst 1944 aus zahlreichen architektonischen Stilen, die sich vermischten, überlagerten und bedeckten. 500 Jahre Geschichte hinterlassen Spuren, mal mehr und mal weniger sichtbar.

Wenn ein solcher historischer Bau brutal und herzlos in die Luft gesprengt wird, wohlwissend, dass man damit auch einen wesentlichen Teil der Warschauer Seele rausreist, stellt sich alsdann die Frage, in welchem Stil das Gebäude wieder in vollem Glanz erstrahlen soll. Und insbesondere, wie reskonstruiert man Geschichte, historische Ereignisse und Entwicklung?

Unmittelbar nach der Entscheidung über den Wiederaufbau, wurde ein allgemeiner Rahmen festgelegt, wie das Schloss aussehen soll. Die wichtigste Bedingung war, dass man die sichtbare Gestltung der architektonischen Entwicklung des Schlosses. Der Innenhof zeigt, wie diese Bestimmung in die Tat umgesetzt wurde. Der Hof ist öffentlich zugänglich und schon nach kurzer Zeit wirst Du merken, was mit „architektonischer Entwicklung“ gemeint ist.

Die Außenfassaden

Die westliche Fassade mit dem Uhrturm entspricht der Form aus dem 17. Jahrhundert, als Sigismund III. Wasa nach Warschau gezogen ist und das Schloss entsprechend umbauen ließ.

Die zwei Ecktürme existierten bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, als sie während der Nordischen Kriege von den Schweden zersört wurden. Nach 380 Jahren wurden sie erneut angebracht. Ähnlich verhielt es sich mit den Lukarnen zwischen ihnen.

Wie haben die das nur geschafft?

Das ist die Frage aller Fragen, wenn man erst die Altstadt und das Königsschloss gesehen hat. Wie haben die das nur geschafft? Wenn man durch die engen Gassen der Altstadt schlendert oder die königlichen Schlaftimmer, Arbeitsräume und Thronsäle im Innern des Königsschlosses bewundert, ahnt man gar nicht, dass alles nicht älter als 70 Jahre ist.

Der Direktor des Schlosses und auch die Leiter der Warschauer Museen und anderer Kultureinrichtungen bereiteten sich direkt nach Ausbruch des Krieges auf das Ende des Krieges vor, wohlwissend, dass die Nazis viel zerstören oder rauben werden. Also sammelten sie zusammen mit ihren Studenten und Mitarbeitern alles, was beim Wiederaufbau behilflich sein könnte. Auf diese Weise kamen über 4000 Artefakte, 2300 Fotos und Teile der alten Bausubstanz zusammen. Dank dieser Ansammlung an Erinnerungsstücken konnte man so detailreich rekonstruieren. Dafür gebührt ihnen allen oberste Wertschätzung.

Besichtigung

Das Königsschloss hat heute hauptsächlich eine Museumsfunktion. Gelegentlich werden hier Staatsgäste empfangen oder auch zivile Orden verliehen.

Man kann das Museum im Alleingang besichtigen (was ich empfehle) oder eventuell einen Museumsführer anheuern.

Quellen

Glowacki, Radoslaw: Echa dawnej Warszawy. Zamki i palace, Warszawa 2017, ISBN 978-83-63-63842-39-0 [Polnisch].

Parma, B. / Grunwald-Kopec, R.: Warszawa, Marki 2012, ISBN 978-83-89157-72-0 [Polnisch] / Reiseführer

Gründer von Walking Poland und lizenzierter Stadtführer in Warschau

"Mein polnisches Herz pumpt das Blut ins deutsche Hirn"

antoni@meinwarschau.com

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