
Unabhängigkeitsmuseum in Warschau
Bild © Adrian Grycuk [CC BY-SA 3.0]
Im ganzen 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tauchte auf zahlreichen Kongressen die „polnische Frage“ auf. Die Königliche Republik Polen-Litauen hörte 1795 auf zu existieren. Dieser Staat hatte etwas über 400 Jahre Bestand und hinterließ in den Köpfen seiner Bewohner ein gewißes „Nationalbewußtsein“, welches durch den Verlust des Staatsgebietes nicht wegradiert werden konnte. Für die Polen war nach dem Verlust der politischen wie kulturellen Unabhängigkeit klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ein neues Polen auf den Karten Europas erscheint. Nach fehlgeschlagenen Aufständen von 1830-1831, 1863-1864 und 1905 folgte am 11. November 1918 die Verkündung der Entstehung der 2. Republik Polen. Bevor es jedoch soweit kommen konnte, war eine große „nationale“ Anstrengung der Elite nötig. Auch war die Ausrufung der 2. Republik Polen nicht der Endpunkt des Kampfes für einen unabhängigen Staat. Es folgten zahlreiche Volksentscheidungen über das Sein oder Nicht-Sein im polnischen Staat, Aufstände in Gebieten, die gar nicht in Polen verbleiben sollten sowie aufzehrende Kriege um die Ostgrenze mit den ebenfalls zur Unahängigkeit strebenden Völkern und Nationen im Osten Europas.
Und genau das wird im Unahängigkeitsmuseum sehr gekonnt und detailliert dargestellt. Der folgende Beitrag ist eine detaillierte Beschreibung des Museums und der Ausstellung. Auf unserer Seite finden Sie jedoch auch eine gekürzte Form. Falls Sie nur eine touristische Übersicht benötigen, brauchen Sie nur die nachstehende Box anklicken.
Touristische ÜbersichtInhalt
Standort und Anfahrt
Das Museum befindet sich in der Warschauer Innenstadt (poln. Srodmiescie) im Przebendowski-Palast in der Aleja Solidarności 62 [GoogleMap].
Die Entfernungen zu Fuß sind:
- vom Kulturpalast | 1,9 km
- von der Altstadt | 1 km
- vom Denkmal der Helden des Jüdischen Ghettos. Vor diesem Denkmal ereignete sich der Kniefall von Willy Brandt am 7. Dezember 1970 | 1 km
Das Museum liegt auch direkt an der M1-Metrolinie. Die Station heißt Metro Ratusz-Arsenal.
Sitz des Museums: Der Przebendowski-Palast
Der schöne Palast wurde in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut und stand damals noch abseits der Stadt. Eigentümer war zunächst Jan Jerzy Przebendowski, von welchem der Palast heute seinen Namen hat. Das Adelsgeschlecht der Przebendowskich ist deutschen Ursprungs. Ursprünglich hießen die Familienmitglieder Wilhelmsdorf oder von Wilmersdorf. Przebendowski hingegen stammt vom Ort Przebendowo, welchen die Familie als Lehen erhielt. Die deutsche Herkunft erleichterte vielleicht die Besetzung des Postes des ersten Beraters des „sächsischen“ Königs von Polen August II. dem Starken durch den eben genannten Jan Jerzy Przebendowski. Die nun häufigen Aufenthalte in Warschau erforderten eine angemessene Unterkunft. So beginnt die Geschichte des Palastes. So schnell diese Familie jedoch im öffentlichen Leben auftauchte, so schnell verschwand sie auch wieder.
Das Gebäude wechselte häufig seine Eigentümer und Funktion. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde aus dem Palast sogar das Hotel de Hamburg. Der letzte private Eigentümer war die Familie Radziwill, eine der ältesten Magnatenfamilien Polen.
Während des 2. Weltkrieges wurde der Palast sehr stark beschädigt. Um die Ecke, in der Bielańska-Straße, stand nämlich das hart umkämpfte Gebäude der Polnischen Bank (Reduta Banku Polskiego /Karte). Der Palast lag quasi im Weg und wurde ständig beschoßen.
Der Wiederaufbau begann am 1. Oktober 1948 unter Leitung von Bruno Zborowski und wurde am 1. Juli 1949 beendet. Anfangs wollten die kommunistischen Architekten mit politischer Unterstützung den Palast abreißen, um die geplante Warschauer Ost-West-Verbindungsstraße (Trasa W-Z) geradlinig bauen zu können. Alles, was mit der Aristokratie in Verbindung stand, wurde ignoriert und nach Möglichkeit zerstört. Die bisherigen Eigentümer (Przebendowski, Radziwiłł, Zawisza = polnische Magnaten) waren aus Sicht der Neuen Ordnung ein Smybol der Unterdrückung des Proletariats. Die Warschauer Bevölkerung wehrte sich jedoch extrem gegen diese Vorgehensweise. Der Palast blieb stehen! Die neue Verbindungsstraße wurde daraufhin um das Gebäude herum gebaut, sodass es sich heute wie auf einer Insel befindet.
Von 1955 bis 1989 war hier das Lenin-Museum. Seit dem 30. Januar 1990 ist es nun ununterbrochen der Sitz des Unabhängigkeitsmuseums.
Im Erdgeschoss gibt es eine ausgesonderte Ausstellung über die Geschichte des Palastes. Ausgestellt sind Portraits der ehemaligen Eigentümer sowie Grundrisse des Palastes in verschiedenen Epochen. Zudem hängen dort zahlreiche Fotos aus der Zwischenkriegszeit, die die Inneneinrichtung zeigen.
Die Dauerausstellung
1. Polonia Restituta 1914 – 1921
Polonia Restituta eröffnet auf der 1. Etage die Ausstellung zum Thema Unabhängigkeit 1918.
Man bekommt hier einen Einblick in die Zeit des 1. Weltkrieges, an dessen Ende viele Königreiche untergegangen, allerdings auch viele Republiken entstanden sind. Unter anderem die 2. Republik Polen aus den durch Preußen, Russland und Österreich geteilten Gebieten (Drei Polnische Teilungen 1772 / 1793 / 1795). Die kulturelle, wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung vollzog sich in allen Teilgebieten sehr unterschiedlich. Um so schwieriger war es nach Erlangung der Unabhängigkeit am 11. November 1918 die Ländereien zu einem funktionierenden Staatswesen zu verschmelzen. In dieser Ausstellung wird dem Gast diese schwierige und auch erfolgreiche Epoche in der polnischen Geschichte nähergebracht. Hier lernen Sie u.a. Józef Piłsudski, Roman Dmowski und Józef Haller und Ihren Einfluß auf die Entstehung des neuen polnischen Staates kennen. Der erste sah in Russland das große Hindernis auf dem Weg zur Unabhängigkeit und ging daher ein taktisches Bündnis mit Deutschland und Österreich ein. Der zweite sah das unabhängige Polen in den Grenzen eines neuen Russlands aufgehen. Auch Schlesien und Pommern sollten zu Polen gehören, trotz der ethnischen Zugehörigkeit zu Deutschland. Der dritte? Er kam aus Paris angereist und hatte seine eigenen Vorstellungen.
Am Ende hatte jeder von ihnen einen unabdingbaren Einfluß auf den Grenzverlauf der neuen Republik.
Zusätzlich werden die Hintergründe des polnisch-sowjetischen Krieg von 1919-1921 erklärt. Der Krieg endete mit der Friedensunterzeichnung in Riga am 18. März 1921.
Der Großpolnische Aufstand von 1918 mit Paderewski als politischen Anführer ist auch erwähneswert, vor allem, weil das der einzige erfolgreiche polnische Aufstand bis 1989 ist. Sehen Sie, was es zu einem solchen Ausgang bedurfte.
Nach der Wiedereröffnung 2019 wurden auch endlich alle Beschriftungen ins Englische übersetzt.
2. Mit dem weißen Adler über Jahrhunderte
Der Weiße Polnische Adler begleitet die Polen schon seit Anbeginn des Bestehens des polnischen Staatswesens. Hier wird die Evolution dieses für die Polen wichtigsten Symbols dargestellt.
Nach den Renovierungsarbeiten
Die Renovierungsarbeiten, die am 1. August 2017 zur Schließung des Museums geführt haben, sollten den ganzen Palast auffrischen und auch für Personen mit Behinderungen zugänglich machen. Die Wiedereröffnung erfolgte schließlich 2020.
Die Arbeiten führt die Firma Furmanek Renewal Sp. z o.o. S.K.A. aus.
Es kamen zwei Dauerausstellungen hinzu, die sich im Erdgeschoss befinden. Sie sollen das Thema der Unabhängigkeitsbestrebung abrunden.
- Das Grenzland und die Grenzenlosigkeit in den Sammlungen des Museums
- Die Geschichte des Przebendowski-Palastes