
Der Powazki-Friedhof in Warschau. Eine Besichtung
Der Powazki-Friedhof in Warschau ist der größte und bekannteste Friedhof in Warschau. Im Beitrag folgt eine Beschreibung einer Besichtigung, an der wir teilgenommen haben. Falls Du nur eine touristische Übersicht über den Friedhof benötigst, klicke bitte auf die folgende Box.
Touristische ÜbersichtInhalt
Hier braucht man gute Ortskenntnisse

Arkadiusz Żołnierczyk, ein Friedhofsexperte
Mein Berufskollege Arkadiusz Żołnierczyk weiß über den Powazki-Friedhof so ziemlich alles und noch mehr. Von ihm habe ich mein Wissen über die wirklich große Anlage. Der Powazki-Friedhof beherbergt nämlich nahezu 1 Million Gräber verteilt Friedhöfen von fünf Konfessionen. Es braucht unzählige Besuche, um sich auf dem großen Areal nicht zu verlaufen. Es ist auch einer der schönsten Friedhöfe in Polen. Sobald man durch das Haupttor hindurchgeht, erstreckt sich vor eine Welt voller Schätze und Kunstwerke. In diesem Beitrag möchte ich einige schöne Ecken vorstellen, die sich auf den Führungen mit Arkadiusz wiederholen. Und das nicht ohne Grund. Los geht´s!
Tor der Hl. Honorata

Tor der Hl. Honoratka
Seit 1911 ist dieses Tor der Haupteingang des Friedhofs. Er befindet sich in der gleichnamigen Powazkowska-Straße. Die Dekorationen wurden 1915 ergänzt. Man sieht also, dass Kunst auch in Kriegszeiten weiterhin existierte. Henryk Landsberg stiftete der Stadt und seiner verstorbenen Frau diesen prächtigen Durchgang. Seine Trauer muss so groß gewesen sein, dass er nur einige Monate nach seiner Frau das Tal der Toten betrat. Eine wahrhaft romantische Geschichte.
Autor
Das Projekt für das Tor stammt von Leopold Wasilkowski, der vorher schon durch andere Projekte große Berühmtheit erlangt hatte. Ausgeführt hat es das Bildhauerunternehmen Jan Rudnicki.
Symbolik

Miles dei
Links vom Eingang steht ein Krieger, der auf den ersten Blick einem römischen Legionär sehr ähnelt. In Wirklichkeit ist es ein sogenannter miles dei, also ein Soldat Gottes. Er hält in seiner rechten Hand ein Schwert, dessen Griff die Form eines Kreuzes hat und mit der Inschrift IHS (iesus hominem salvator) versehen ist. Es wird von einer Schlange umschlungen. In der linken Hand trägt er ein körpergroßes Schild, auf welchem die Dornenkrone, eine Speerspitze, das Auge der Vorsehung und eine Friedenstaube abgebildet sind. Was wollte uns der Künstler damit übermitteln? Recht einfach: Wir betreten nun das Tal des Todes und diese nicht sonderlich einladend aussehende Figur soll uns die Angst nehmen. Denn das Böse (= Schlange) wurde von den Kriegern Gottes (= miles dei) mit Gottes Hilfe (= Schwert, IHS) besiegt. Obwohl Friedhöfe nicht vor Optimismus strotzen, brauchen wir uns nicht fürchten. Der grimmige Gesichtsausdruck ist also dem Bösen gewidmet, nicht uns.
Name
Die Ehefrau von Henryk Landsberg hieß Honorata geb. Zwolinski Mieczyslaw Landsberg.
Der Friedhof

Ortsplan des Friedhofs
Die Weihe des damals 2,5 Hektar großen Friedhofs fand am 25. Mai 1792 statt. Nach insgesamt 19 Erweiterungen ist er zu einer großflächigen Begräbnisstätte von 43 Hektar, also der Fläche des Vatikans, geworden. Der katholischen Friedhof wurde im Laufe der Zeit um einen jüdischen, zwei evangelische und zwei islamische Friedhöfe erweitert. Die Friedhöfe werden von kleinen Mauern und Zäunen abgegrenzt. Die Gesamtzahl der Gräber auf dem gesamten Powazki-Friedhof schätzt man auf ca. 2,5 Millionen. Dadurch, dass man nach jeder Erweiterung den dann folgenden Gräbern eine neue Anfangszahl verlieh, ist es heute unheimlich schwierig ein entsprechendes Grab zu finden. Entweder man weiss wo es ist, man stolpert drüber oder jemand sagt einem, wo es sich befindet.
Online Gräbersuche
Erfreulich ist, dass es mittlerweile eine Suchmaschine im Internet gibt, die es einem erlaubt nach vielen verschiedenen Suckriterien ein konkretes Grab zu finden. Die Sammlung der Daten unterliegt der Aufsichtskontrolle des städtischen Denkmalkonservators.
Online GräbersucheDie Friedhofskirche

Friedhofskirche des Hl. Borromäus
Die Kirche des Heiligen Borromäus, welche sich unweit des Honorata-Tores befindet, wurde 1793 eingeweiht. Im 19. Jahrhundert sollte die Kirche ausgebaut werden, doch standen die polnischen Gebiete damals unter russischer Verwaltungshochheit und alle Anfragen mussten nach Petersburg geschickt werden. Die russische Verwaltung stimmte dem Ausbau nicht zu. Lediglich eine Renovierung wurde genehmigt. Die polnischen Architekten nutzten die Gunst der Stunde, rissen die Kirche ab und ließen lediglich die Frontfassade stehen. An diese wurde einfach der neue Anbau ergänzt und als die russischen Beamten nachfragten, hat man ihnen erklärt, dass nicht über Details der Renovierung gesprochen wurde. Dieser Tatsache haben wir es zu verdanken, dass eine würdige Kirche den berühmtesten Friedhof Polens überragt.
Allee der Verdienten
Die Allee der Verdienten wurde 1925 eröffnet. Die berühmtesten und wichtigsten Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Sport und anderen Bereichen sollten einen besonderen Platz für Ihre letzte Ruhe bekommen. Den ersten Ehrenplatz erhielt Wladyslaw Reymont. Er erhielt im Sterbejahr Jahr den Nobelpreis für Literatur.
Die Gräber. Eine Auswahl
Insgesamt stehen über 18 000 Gräber unter Denkmalschutz. Unser Friedhofsspezialist Arkadiusz „Arek“ würde uns sicherlich alle zeigen wollen. Es scheint also fast schwieriger eine sinnvolle Auswahl zu treffen. Ich muss auch zusehen, dass mein Beitrag nicht zu lang wird. Ich kann Ihnen nur raten, diesen Friedhof auf den Besichtigungsplan zu nehmen. Sie werden begeistert sein. Nicht ohne Grund befindet sich der Powazki-Friedhof auf unserer Top-10 der Warschauer Sehenswürdigkeiten.
Die Eltern von F. Chopin

Grab der Chopin-Familie
Frédéric Chopin ist auf dem Pariser Friedhof Pere Lachaise begraben, da den Russen 1849 ein Begräbnis eines so bekannten Polen nach zu viel Patriotismus roch. Lediglich sein Herz wurde heimlich nach Warschau gebracht und befindet sich bis heute in der Heilig-Kreuz-Kirche auf der Prachtstrasse Krakowskie-Przedmiescie. Seine Eltern hingegen hatten das Glück in Warschau ihre letzte Ruhestätte zu erhalten. Wenn Sie mehr über die Chopin-Familie erfahren möchten, klicken Sie hier!
Antoni Magier, der Wetterfrosch

Antoni Magier
Im 19. Jahrhundert gab es noch keinen Fernseher, der einem sagte, wie denn das Wetter morgen sein würde. Es gab in Warschau jedoch eine Person, die so viel Wissen über Wetterprognosen gesammelt und analysiert hatte, dass er stets gut vorbereitet war. Deshalb schauten die Warschauer immer nach, wie Antoni Magier angezogen war und ob er einen Regenschirm dabei hatte oder nicht.
Ein „deutscher“ Wehrmachts-General

Kazimierz Leski
Die Überschrift mag sehr erstaunen, aber es stimmt. In gewißer Weise (deshalb die Anführungszeichen) ist hier ein Wehrmachtsgeneral begraben. In Wirklichkeit war es ein Fake-General. Kazimierz Leski war polnischer Soldat und ein Kurier. Seine Aufgabe war es geheime Informationen zwischen der Untergrundorganisation und der Exilregierung in London zu überbringen. Am sichersten war es über Rumänien oder Italien nach Frankreich und weiter nach London zu reisen. Das kostete jedoch unheimlich viel Zeit, sodass Leski sich als Wehrmachtsgeneral einfach auf den Weg durch das Deutsche Reich aufmachte. Unterwegs erlebte er viele faszinierende Situationen und blieb den Polen auf diese Weise im Gedächtnis. Bei all den „witzigen“ Geschichten darf nicht vergessen werden – es gehört sehr viel Mut dazu, um so etwas bewerkstelligen zu können und es psychisch auzuhalten.
Zum Schluss noch ein paar Kunstwerke
Unsere Erkundungstour mit Arek dauerte insgesamt 2,5 Stunden. Dieser kleine Beitrag kann vom Inhalt also nur enttäuschen. Es gibt jetzt aber noch ein paar Fotos von Gräbern, die von hoher Handwerkskunst zeugen. Und das ist nur ein sehr kleiner Ausschnitt, was man hier vorfindet.
Der Geiger und seine Note
Schauen Sie, wie diese beiden Gräber sich gegenseitig ergänzen. Ja, es sind zwei Verschiedene. Falls es jemand nicht sieht: Der Engel hält in seiner Hand eine Note und es sieht aus, als übergebe er sie dem Geiger.
Der Engel
Einige Tage zuvor war Allerheiligen, was in Polen eine besonderes Fest ist. Auf meinem persönlichen Stadtblog MeinWarschau habe ich darüber berichtet (zum Beitrag). Die Rosen auf diesem wunderschönen Grab waren ein echter Augenfänger, der fotografiert werden musste. Diese Farbe hat die Statue auch in Wirklichkeit. Sie sticht förmlich heraus.
Eine Hand wäscht die andere
Schauen und genießen!
Danksagung
Ich Danke Arek auf diesem Wege für die tolle Führung und die interessanten Fakten und Geschichten danken. Es hat wirklich vie Spass gemacht und meine Notizbücher gefüllt.
Führung buchen
Wenn also auch Du Lust hast all diese Gräber vor Ort mit eigenen Augen zu bestaunen, interessante Geschichten aus dem Leben des vergangenen Warschau zu hören und so die Warschauer Seele kennenzulernen, dann buche doch einfach eine private Führung mit mir als Friedhofsführer. Für alle Einzelheiten und eine Buchungsmöglichkeit klicke bitte auf die folgende Box.
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