
Katyń-Museum. Die Geschichte einer nationalen Tragödie.
Im folgenden Beitrag beschreiben wir detailliert über das Katyn-Museum in Warschau. Falls Du nur eine touristische Übersicht benötigst, kannst Du einfach auf den folgenden Link klicken.
Touristische ÜbersichtInhalt
Gelände vor dem Museum

Der Vorhof des Museums. Links im Bild die Waggons. Den Wald des Geschehens sehen wir vor uns.
Das Katyn-Museum befindet sich auf der ehemaligen Zitadelle etwa einen Kilometer nördlich von der Warschauer Altstadt entfernt. Nachdem man das Eingangstor der Zitadelle betreten hat, gelangt man auf einen kleinen Platz. Die Bäume und Pflastersteinen sind kein Zufallsprodukt der Gärtner.
Die Bäume sollen an die Umgebung der Morde erinnern. Die Offiziere und hochrangigen Staatsbeamten wurden nämlich zunächst tief in die russischen Wälder abtransportiert und dort zumeist mit einem Schuss in den Hinterkopf ermordet. Nachdem man die Massengräber mit Erde zugeschüttet hatte, pflanzte man an ihrer Stelle junge Bäume. Daher konnte man später am Alter der Bäume feststellen, wann diese Gewalttat stattgefunden haben muss. Man schaute nach weiteren Massengräbern, indem nach ähnlich aussehenden Bäumen gesucht wurde.
Der Weg zwischen den Bäumen symbolisiert den Riss in der polnischen Seele, der bis heute eine tiefe Narbe in der polnischen Gesellschaft hinterlassen hat. Rundherum befinden sich über 20 000 Pflastersteine. Ein Stein für einen Ermordeten.

Der Weg zur Hauptausstellung
Tunnel ins Ungewisse
Hinter der Eingangstür des Museums gelangt man zunächst in einen Tunnel. Er ist ziemlich düster, auf der rechten Tunnelwand sieht man Schatten von Menschengestalten, die sich ins Ungewisse begeben und die leisen dumpfen Töne im Hintergrund lassen nichts gutes vermuten. Der Gast soll auf diese Weise auf die bevorstehende Ausstellung eingestimmt werden. Es ist nämlich eine Geschichte über Taten von Menschen in ihrer unmenschlichsten Form.
1. Teil des Museums – Entdeckung
Das Museum hat zwei Ebenen. Die 1. Ebene trägt den Namen „Entdeckung“ und zeigt kurz und prägnant die Vorgeschichte bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, anschließend die Terrorisierung der polnischen Bevölkerung in den von den Russen besetzten Gebieten sowie die damit zusammenhängende Festnahme der polnischen Eliten in den ehemaligen Ostgebieten der Zweiten Polnischen Republik. Zum Schluß wird die Ausführung, Aufdeckung und die politisch verwerfliche Ausnutzung der Katyn-Morde bis in die 90er Jahre dargestellt. Jedes Unterthema wird in einem gesonderten Raum erläutert. Mit Plakaten, Biographien und Schubladen mit Dokumenten und Berichten werden detaillierte Informationen präsentiert. Alle Räume werden durch Arkaden voneinander getrennt, sodass man nicht den Überblick verliert. Jeder Raum lässt den Gast ein weiteres Puzzlestück dieser komplizierten und kaum bekannten Geschichte aufdecken und an das Gesamtstück anpassen. Man schreitet voran und versteht nach und nach, worum es bei dieser Tragödie eigentlich geht. Nichtwissen ist nämlich nichts, worauf man stolz sein sollte.
Bei den Katyn-Morden geht es um etwas Fundamentales und in der Geschichte der Menschheit Neuartiges. Die Ermordung von abertausenden Menschen einer staatlichen Ideologie wegen. Das passierte auf polnischem Boden zum ersten Mal und das gleich in zweifacher Ausfertigung.
Es gibt ausreichend Informationen, um dem Geschehen insgesamt folgen zu können. Auf der einen Seite sind es geopolitische Fakten und Analysen, auf der anderen Seite persönliche Briefe der Ermorderten und deren Familien. Auch wenn Sie die Details weglassen, werden Sie das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren.
Im Hintergrund hört man klappernde Zugwaggons, tropfendes Wasser und das Ertönen einer Glocke, eines der Symbole für die Toten.
Das Museum ist sehr modern, was man an der reichen Symbolik sehen kann. Der verantwortliche Künstler wollte kein Museum schaffen, welches man schnell abläuft. Vielmehr lädt die Innenausstattung dazu ein in Ruhe und Nachsinnen die Ausstellungsstücke zu betrachten.
TIPP Dummerweise sind die polnischen Texte noch nicht ins Deutsche oder Englische übersetzt worden. Zusätzlich enthält das Museum viele Symbole, die nicht sofort ins Auge stechen und von Nicht-Polen nur schwer nachzuvollziehen sind. Deshalb schlage ich vor, dass Sie dieses Museum mit einem Museums- oder einem unserer Stadtführer besuchen.

Ausstellung der persönlichen Gegenstände der Ermordeten
2. Teil des Museums – Zeugnis
Im letzten Raum des 1. Teils fährt man mit einem Fahrstuhl eine Etage tiefer und gelangt in einen riesigen Saal, wo nur persönliche Sachen der Ermordeten ausgestellt werden. Es sind etwas mehr als 6 000 von 20 000 Gegenständen, die man bei der Exhummierung gefunden hatte. Das können Bustickets, Brillen oder Schachfiguren sein und liefern den Gegenbeweis zu Andrzej Wajdas* These, dass von den Opfern des Terrors nur noch Knöpfe übrig bleiben werden. Die Zeit kann man nutzen, um die Informationen aus der „Entdeckung“ zu verarbeiten und sich zu vergegenwärtigen, welch schändliche Tat die Sowjetunion den Polen zugefügt hat.
*Andrzej Wajda (1926-2016) hat das Drehbuch für den wohl besten Film über das Massaker von Katyn geschrieben. Zum Film sagte er selber: „Den Film Katyn habe ich gemacht, weil er vom Schicksal meines Vaters handelt.“ Die Erstausstrahlung erfolgte am 17. September 2007 unter dem Titel Katyn in den polnischen Kinos. Nur zur Erinnerung: Am 17. September 1939 hat die Sowjetunion ohne vorherige Ankündigung Polen angegriffen. So wollte es der geheime Ribbentrop-Molotow-Vertrag. Merkwürdig erscheint dabei die Tatsache, dass Polen der Sowjetunion nie den Krieg erklärte – auch nicht nach dem Einmarsch der Sowjets auf polnisches Territorium.

Die Brille eines Opfers
Auf dem Weg zum Ausgang
Anschließend geht man nochmals durch das Zitadellengelände und gelangt schlussendlich erneut auf den kleinen Platz, welchen man ganz am Anfang schon gesehen hatte.
Kurz vorher steht noch eine Art offener Raum mit Namenstafeln. Auf vier Eingängen hängen der Davidstern, das Kreuz, ein Halbmond und das Kreuz der Orthodoxen Kirche. Die polnische Elite bestand nicht nur aus Katholiken, was nicht verwundert, wenn man weiss, dass Im Moment des Ausbruchs des Krieges nahezu 35 Prozent der polnischen Bevölkerung ethnische Minderheiten waren.
Auf der letzten Tafel stehen noch keine Namen. Die Aufdeckung des Massakers ist nämlich noch lange nicht zu Ende. Die Russische Föderation gibt bis heute nicht alle Namen preis.
Warum sollte man das Museum besuchen?
Seit der Sejmwahl im Oktober 2015 hört man in den staatlichen Medien oft über die Verstorbenen von Smolensk. Am 10. April 2010 ist das Regierungsflugzeug mit 96 Insassen an Board, darunter Präsident Lech Kaczynski und seine Gattin, abgestürzt. Der Grund für den Flug war die Andachtsfeier für die Ermordeten von Katyn, Smolensk, Charkow, Miednoje und weiteren Ortschaften. Wenn Sie also erfahren wollen, warum der alljährliche Besuch des Präsidenten in Smolensk (Russland) so wichtig ist und warum der mittlerweile über Jahre andauernde Streit die polnische Gesellschaft spaltet, dann besuchen Sie dieses Museum.
Führung mit uns
In dem Museum gibt es keine hausinternen Museumsführer und auch die Beschriftungen sind größtenteils nur auf Polnisch. Du kannst jedoch bei uns eine Museumsführung buchen und mit Antoni die Geschichte mit allen Einzelheiten und Nuancen entdecken.
Nutze dafür einfach das allgemeine Kontaktformular. Wir melden uns mit einer Übersicht und einem Programmvorschlag.