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Geschichte der Juden in Warschau bis 1527

Das ist der erste Teil aus der Reihe Die Geschichte der Juden in Warschau. Dich könnten auch folgende Teile interessieren.

Die ersten Juden in Warschau und Masowien

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Gebietsumriss des historischen Masowien auf dem Gebiet der gegenwärtigen Verwaltungsgliederung

Es ist verständlicherweise nicht möglich ein konkretes Jahr der Ankunft der Juden in Masowien und Warschau zu nennen. Wir wissen lediglich, dass schon vor 1237 in Plock, der ältesten Stadtgründungen in Masowien und zeitweise Hauptstadt des Königreiches Polen, eine jüdische Gemeinde exsitierte. Im 13. Jahrhundert häufen sich die Städtegründungen auf polnischem Territorium auf Grundlage des deutschen Städterechts. Diese Städte hatten eine eigene Gerichtsbarkeit und Verwaltung, sodass die Juden dort einen klar definierten Gesellschaftsstatus erhielten.

Das Herzogtum Masowien war in den Anfangsjahren des Bestehens des polnischen Staatswesens im 10. Jahrhundert wirtschaftlich schwach entwickelt. Insoweit gibt es kaum historische Dokumente über die Gesellschaftsstrukturen, die Wirtschaft oder kulturelle Entwicklungen in dieser Region, geschweige denn über die jüdische Kultur. Auf dem Gebiet der Stadt Warschau gibt es auch keine archeologischen Fundstücke oder schriftlichen Zeugnisse, die die Siedlungsaktivität der ersten jüdischen Siedler belegen könnten. Die erste schriftliche Erwähnung überhaupt, die eine organisierte Niederlassung in Warschau bezeugt, stammt von 1414. Der erste namentlich erwähnte Jude in Warschau hieß Lazarus. Seit diesem Jahr häufen sich dann auch Schriftstücke über getätigte Handels- oder Kreditgeschäfte, dessen eine Partei jüdischer Herkunft war. Dem muss also schon eine bestehende und relativ gut integrierte Gemeinde vorausgegangen sein.

Die ersten Juden in Warschau kamen vor allem aus den polnischen Regionen Klein- und Großpolen (Malopolska, Wielkopolska), wo schon größere jüdische Gemeinden bestanden. Einige Gruppen kamen sicherlich auch aus den deutschen Gebieten, wo die Juden im 14. und 15. Jahrhundert mehrfach vertrieben wurden. Es waren aschkenasische Juden, die im 21. Jahrhundert nahezu 70 Prozent der Juden auf der ganzen Welt ausmachen.

Motivation

Am schwierigsten zu beantworten ist stets die Frage nach dem „Warum?`. Man kann sie nicht individuell beantworten, allgemein gesprochen waren es jedoch vor allem die Handelsmöglichkeiten, die sich in Masowien boten. Nach der Personalunion zwischen Polen und Litauen (1386) wurde es in Masowien nicht nur ruhiger und somit sicherer, es erschlossen sich zugleich weit entfernte und ertragreiche Handelswege in den Osten. Vor der polnisch-litauischen Union wurde Masowien regelmäßig von Litauern und anderen heidnischen Völkern heimgesucht und geplündert.

Anzahl

Im Steuerregister der Stadt Warschau von 1423 sind 10 jüdische Steuerzahler erwähnt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts gab es dreizehn bis fünfzehn jüdische Haushalte, die 130 bis 150 Personen umfassten. Das waren 3 – 4 Prozent der Gesamtbevölkerung Warschaus. 

Die Jüdische Straße in Warschau

Die jüdische Gemeinde hatte ihr eigenes kleines Viertel auf dem Gebiet der Altstadt. Dessen Hauptschlagader war die namentlich nicht mehr existierende Jüdische Strasse (ulica Żydowska). Die platea Judaeorum verlief parallel zur ulica Sw. Marcina (gegenwärtige Piwna-Straße) auf der Länge vom Waski Dunaj bis zur Piekarska-Straße. Sie war ca. 54 Meter lang sowie 4 Meter breit. Die erste Erwähnung der Straße stammt von 1430.

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Jüdische Straße in Warschau (Zydowska)

Den Juden stand eine Synagoge, ein rituelles Tauchbad, die Mikwe, sowie eine Ritualschlachterei zur Verfügung. Außerhalb der Stadt lag der jüdische Friedhof, der cimeterium Judaeorum, der sich auf Weg nach Czersk, wie es in einem Schriftzug aus der Zeit des Fürsten Bolesław V. (1453 – 1488) nachzulesen ist, erstreckte. Somit lässt sich der Friedhof in der Nähe der heutigen Krakowskie-Przedmiescie-Straße lokalisieren. Bei 130 bis 150 Gemeindemitgliedern dürfte die letzte Ruhestätte nicht sonderlich groß gewesen sein. Die Schließung erfolgte spätestens im Jahre 1527 mit der juristisch untermauerten Vertreibung der Juden aus der Stadt (Privileg de non tolerandis Judaeis – mehr dazu im Beitrag: Juden in Warschau von 1527 bis 1795). Die nächsten zwei Jahrhunderte lang begruben die Juden ihre Familienmitglieder in den umliegenden Städten Nowy Dwor, Grodzisk oder Sochaczew.

Grundsätzlich waren die Juden von der städtischen Jurisdiktion ausgeschlossen und unterstanden dem persönlichen Schutz der Fürsten von Masowien, die die Juden und ihr Hab und Gut wie ihr Eigentum behandelten. Damit unterstanden sie auch der Laune eines jeden von ihnen.

Handwerker und Händler

Die Juden waren Handwerker, vor allem jedoch Händler, was das Bankwesen und Kreditwirtschaft einbezog. In den Jahren 1421 – 1466 waren 70 Prozent der Kredite von Juden gewährt. Allerdings waren die finanziellen Möglichkeiten sehr gering, sodass die Gewinnspannen nicht sonderlich groß waren.

Jüdisch-bürgerlicher Konkurrenzkampf

Das Leben der Juden in Warschau im 15. Jahrhundert ist nur spärlich dokumentiert. Gewiss ist jedoch, dass es viele Konflikte zwischen der städtischen Bevölkerung und der prosperierenden jüdischen Gemeinde gab. Die Bürger wollten die Konkurrenten loswerden, um so ihren eigenen wirtschaftlichen Aufschwung zu bekräftigen. In den Jahren 1454-1455 kam es zu Pogromen, die von den Bernhardinern initiiert wurden. Doch es kam noch schlimmer. 1483 mussten sie – der Fürst muss schlecht gelaunt gewesen sein – die Stadt verlassen und all ihr Hab und Gut zurücklassen. Erst 1486 durften sie zurückkehren. Der Entscheidungsträger war damals Fürst Bolesław V. (ca. 1453-1488).

Doch auch zwischen den einzelnen Gemeindemitgliedern gab es zahlreiche Konflikte, die sogar gerichtlich (also fürstlich) entschieden werden mussten.

Zum Ende des 15. Jahrhunderts hin verließen die Juden allmählich die Stadt Warschau aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie der wachsenden Abneigung der christlichen Bevölkerung gegenüber den Juden. Die Fürsten beschlossen schließlich, dass „fremde Händler“ in der Stadt ihrer Tätigkeit nicht nachgehen dürfen. Fremd war nach damaliger Definition jeder, der nicht Bürger der Stadt war und die Juden waren per se keine Bürger. Dieses Verbot wurde später auch auf die Protestanten ausgeweitet.

Die endgültige Vertreibung aus der Stadt

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Die letzten Fürsten von Masowien Janusz III. (links) und Stanisław (Mitte). Rechts im Bild steht deren Schwester Anna von Masowien

Mit dem Tod der letzten Fürsten von Masowien im Jahre 1525 wurde das Gebiet Lehen des Königs von Polen. Am 25. August 1526 kam der König von Polen Sigismund I. der Alte persönlich nach Warschau, um der Übernahme der Stadt feierlich kundzutun.

Sigismund erließ 1527 das Privileg de non tolerandis Judaeis, welches den Juden auf immer und ewig verbot sich auf dem Gebiet der Alten wie Neuen Stadt niederzulassen, Eigentum zu besitzen oder sich gar hier aufzuhalten. Für die Bürger war es der endgültige Sieg im Kampf um die wirtschaftliche Dominanz in der Stadt. Eine Ausnahme gab es allerdings: während eines Generalsejms (sejm walny), welche seit 1569 in Warschau abgehalten werden sollten, durften sie sich in der Stadt aufhalten und Handel treiben so viel sie wollten. Diese Ausnahme nutzten die Juden nicht nur aus, sondern ignorierten sie zum Teil.

Gründer von Walking Poland und lizenzierter Stadtführer in Warschau

"Mein polnisches Herz pumpt das Blut ins deutsche Hirn"

antoni@meinwarschau.com

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